Freitagabend habe ich immer mal wieder an euch gedacht, viel getanzt, auf dem Heimweg noch zwei Leuten von euch und Hugoldsdorf erzählt... um 5:00 Uhr war ich dann zu Hause.
Das Fest in Verscio sollte die Scuola Teatro Dimitri den Menschen im Dorf näher bringen und an einigen Stellen hat das sicher funktioniert, aber ich hatte doch den Eindruck, grundsätzlich kommt man nicht zusammen, weil die "Künstler" mehr bemüht sind, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, als die "Dorfbevölkerung" wahrzunehmen, wie sie ist, ohne auch schon mit Kritik anzusetzen.
Mir wurde ein romantischer kleiner Innenhof für das Kinderschminken zur Verfügung gestellt und ich begann mit Lea aus dem dritten Jahr zu dekorieren... wir unterbrachen unsere Arbeit um Mittagessen zu gehen. Der Sportverein von Verscio hatte die Verpflegung mit Minestrone, Grillage und Rissotto auf dem Dorfplatz organisiert. Dort waren auch ein Getränkestand und viele Bierzeltgarnituren aufgestellt. Ein schnulziger Alleinunterhalter machte Musik und hier war das Leben! Das Leben eines Volksfestes. Eigentlich nicht mein Geschmack, aber sehr herzlich.
Ich beschloss dann mit Lea, dass wir uns ganz schlicht in einer Ecke des Dorfplatzes einrichten würden. So brauchten die Menschen nicht zu uns zu kommen (was sie ja immer können, wenn Aufführungen, Tag der offenen Tür ... im Teatro oder in der Scuola sind), sondern wir kamen zu ihnen.
Schon als wir aufbauten kamen die ersten Kinder. Ich setzte mich auf ein Kissen und auf dem Kissen mir gegenüber nahm in den nächsten 2 1/2 Stunden ein Kind nach dem anderen Platz, wollte Katze, Hase, Biene, Tiger, Prinzessin oder Clown werden und strahlte nach ein paar Minuten und dem Blick in den Spiegel.
Cacà hat Fotos gemacht...
Die schönsten theatralischen Beiträge waren für mich eine poetische kleine Welt, die zwei Mädchen darstellten und eine Szene von drei Jungs, alle aus meiner Klasse.
Jonas spielte einen durchgeknallten kleinen Jungen, der seine Playstation liebt, Shinya und David stellten animierte Figuren aus dem Computergame "Streetfighter" dar, eine asiatische und eine europäische, die sich zunächst im Kampf begegnen. Der Kuss eines "Mädchens aus dem Publikum" besiegt einen. Der durchgeknallte Junge tritt selbst in das Spiel ein und da nutzen seine Figuren die Gelegenheit zur Flucht in die Wirklichkeit. Als sie frei sind, schliessen sich die "Feinde" glücklich als Freunde in die Arme. Die pantomimische Umsetzung war genial! Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich die Ehre habe, mit diesen Leuten zusammen zu lernen! ...und ich weiss auch nicht, wie sie es in der kurzen Zeit schaffen konnten etwas auf die Beine zu stellen, was nicht schlechter war, als eine Diplompräsentation, die ich auch hier sah.
Tilla und Celine hatten sich und einen kleinen Innenhof völlig verwandelt. Auf einem Tischchen lagen Gegenstände. Nichts war heil, aber alles irgendwie schön... ein zerbrochenes Glas, eine kaputte Schere, eine welkende Sonnenblume, ein Zigarettenstummel, ein alter BH, eine einzelne Socke, eine löchrige Mütze... einzeln liessen sie die Menschen eintreten und einen Gegenstand wählen. Dann wurde man durch einen schwarzsamtenen Vorhang in ihr "Haus" geführt, indem auf jeden Gegenstand eine andere Geschichte, ein anderes Gedicht folgte, begleitet von musikalisch eingesetzten Küchengeräten, bei Kerzenschein. Tilla verkörperte dabei eine mysteriöse, mütterliche, grosse, weise Frau, Celine einen kindlichen, kleinen Mann, der wohl einmal General war, aber an dem alles beherrschende verstaubt war, die starre Mine blätterte, und ein sanftes Wesen zu Tage trat.
Alle Menschen, mit denen ich über ihre Erfahrung bei den beiden sprach waren tief berührt und irgendwo verschwiegen.
In der letzten Nacht sang meine Pantomimelehrerin Nancy wunderschön - Jazz! Sie ist eine bewundernswerte Frau. Ich hörte ihr nicht lange zu, weil ich soo viel gesessen hatte an diesem Tag, beim Kinderschminken und im Varietè und knapp zwei Stunden stand ich in oranger Weste an der Strasse und wusste nicht, was ich machen sollte, falls tatsächlich mal jemand eine Auskunft auf Italienisch braucht... ich hielt aber doch nochmal eine Weile still, um meine Kollegen in einer Tanzimprovisation zu sehen. Das war schon nach eins.
Dann tanzten wir und es war nochmal viel schöner als am Abend zuvor, obwohl ich zwischendurch nur drei Stunden Schlaf bekommen hatte.
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1 Kommentar:
Hey Anna,
ich find es aufregend zu lesen und bin dankbar, durch deinen Blog ein Stück teilhaben zu können an dem, was du erlebst. Sobald der Umzug vorbei ist versuche ich auch wieder mehr zu schreiben.
Alles Gute,
Flo
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